Tracktest im Golf GTI TCR

Tracktest im Golf GTI TCR: Golf ohne Handicap

Polohemd und Chinohose können abgelegt werden. Dieser Golf gehört nicht auf den grünen Rasen – sondern auf die Rennstrecke. Der Tracktest im VW Golf GTI TCR.

Per Knopfdruck wird es laut in der Boxengasse am Parcmotor Castelloli in Spanien: Der 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbo des Volkswagen Golf GTI TCR scheppert los. 350 PS leistet das Aggregat in diesem Jahr.

Kaum zu glauben, dass dieser Motor bis auf wenige Änderungen aus dem Serien-Golf stammen soll. So ist es aber, denn das ist das Konzept der TCR (Touring Car Racing). Die seriennahen Renntourenwagen müssen Frontantrieb und einen Zweiliter-Turbomotor haben,
Fahrhilfen wie ABS oder Traktionskontrolle sind laut Reglement nicht erlaubt.

Vorsicht bei kalten Hinterreifen!

Werkseinsätze sind verboten, denn die TCR ist für den Kundensport gedacht. Das merkt man. Einsteigen und Losfahren, so einfach ist die Bedienung. Eine Kupplung gibt es nicht, denn unser Testwagen ist mit einem DSG-Getriebe ausgestattet. Auf Wunsch bietet Volkswagen den Golf aber auch mit sequenziellem Renngetriebe an.

VW Golf GTI TCR

Die ersten Runden sind gefährlich: Bei einem Fronttriebler ist es nicht einfach, die Hinterreifen auf Temperatur zu bekommen. Deshalb ist zunächst Vorsicht geboten. Wer in schnellen Kurven vom Gas geht oder gar bremst, entlastetet das Heck und riskiert damit einen Abflug. Da hilft auch der große Heckflügel nicht, der für 2017 noch einmal in seiner Wirkung verbessert wurde.

VW Golf GTI TCR: technische Daten

Technische DatenVW Golf GTI TCR
MotorReihenvierzylinder
Hubraum1984 cm³
Leistung257 kW (350 PS)
AntriebsartFrontantrieb
GetriebeDSG oder sequentielles 6-Gang-Getriebe
L/B/H in mm4372 / 1950 / 1368
Reifen (vorn, hinten)270 / 650-18
Gewicht1285 Kilogramm
Beschleunigung (0 bis 100 km/h)ca. 5,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeitca. 230 km/h
Preis110.000 Euro

Ebenso wie die Aerodynamik, die den Golf vor allem bei hohem Tempo auf den Asphalt presst. Auch deshalb wirkt der TCR-Golf schnell vertraut. Kaum Untersteuern, direkte Lenkung. Geschaltet wird mit Wippen am Lenkrad. Beim DSG-Getriebe etwas verzögert, rechtzeitiges
Hochschalten ist notwendig.

Eine Vorderachs-Differenzialsperre verhindert das Durchdrehen der Antriebsräder. Die Sitzposition ist ähnlich wie beim Seriengolf – aber deutlich tiefer. Der Blick über das Armaturenbrett ist eingeschränkt, die Einlenk- und Scheitelpunkte so schwer zu erkennen.

Bremse als größter Unterschied

Ein weiterer Unterschied zum Serienbruder: Die Bremsen im TCR-Auto wollen richtig getreten werden – je härter, desto besser. Einen Bremskraftverstärker gibt es nicht. Aber Vorsicht: ABS auch nicht. Der Golf wirft den Anker, verzögert innerhalb weniger Meter. Und die Spurbreite des TCR-Autos ist für eine bessere Straßenlage satte 40 Zentimeter breiter als beim Serienpendant.

Langsam kommen jetzt die breiten Slick-Reifen auf Temperatur. Meine Rundenzeiten fallen. Das Grinsen unter dem Helm wird größer und größer. Aus dem biestigen Fronttriebler, der mit kalten Hinterreifen zum Tänzeln neigte, ist ein Rennwagen geworden, der Vertrauen schenkt und sich fast spielerisch um die Kurven zirkeln lässt. Keine Frage, dieser Golf ist ein Siegertyp ohne Handicap und gehört zu den Favoriten auf der Rennstrecke.

Dieser Artikel stammt zum Großteil aus der AUTO BILD MOTORSPORT 23/17.

Sönke Brederlow

Sönke Brederlow

Sönke Brederlow ist Rennfahrer, Journalist und Fahrzeugingenieur. Der 33-Jährige arbeitet als freiberuflicher Texter, unter anderem für Motorsport-Total.com. Der Kölner ist als aktiver Rennfahrer und Fahrercoach tätig. Er hat ein abgeschlossenes Bachelorstudium der Fahrzeugtechnik, was ihn bei der täglichen Arbeit als Rennfahrer und Journalist unterstützt.