Porsche Tracktest

Tracktest: Die drei Könige von Porsche

Es gibt Tage im Leben, die sind wie Weihnachten, Geburtstag und Ostern zusammen. Wenn man die drei großen GT-Rennwagen von Porsche zum Tracktest ausführen darf, dann ist das so ein Tag. Auf dem Lausitzring müssen sich die drei Könige der 911er beim Vergleichstest beweisen: der Porsche 911 GT3 Cup, der 911 GT3 R und der 911 RSR.

Den Anfang macht der kleinste Rennwagen, der Porsche 911 GT3 Cup. Wobei „klein“ in diesem Fall eher relativ ist. Denn mit 485 PS liegt das Cup-Auto nur rund 25 PS unter der Leistung des großen 911 RSR. Der Markenpokal-Renner aus Weissach gehört zu den seriennahesten Rennwagen von Porsche. Trotzdem wird er heute die größte Herausforderung. Denn auf die Fahrhilfen muss hier verzichtet werden. Es gibt weder ABS noch Traktionskontrolle – und viel weniger aerodynamischen Abtrieb. Per Knopfdruck, porschetypisch links vom Lenkrad, wird der Motor gestartet.

Auf der Strecke macht sich die fehlende Unterstützung schnell bemerkbar. Bei harten Bremspunkten ist Gefühl im Fuß gefragt. Mit tänzelndem Heck kämpft sich der Cup-Renner in die Kurve hinein, drückt mit einem leichten Übersteuern aber auch willig aus den engen Ecken wieder heraus. Es gibt nicht viele Einstellmöglichkeiten im Cockpit, auch das Lenkrad ist einfach gehalten. Kein Schnick-Schnack, sondern ein Auto, bei dem es allein auf den Fahrer ankommt. Bei diesem Rennwagen ist Können gefragt. Wer sich in den hart umkämpften Porsche-Markenpokalen durchsetzt, hat zweifelsfrei das Potenzial zum Profi. Und kann den nächsten Schritt machen…

Der nächste Schritt: Porsche 911 GT3 R

Etwa in den Porsche 911 GT3 R. Der giftgrüne GT3-Rennwagen mit dem Spitznamen ‚Grello‘ ist aus der VLN und dem 24h-Rennen auf dem Nürburgring bekannt. Er kommt deutlich breiter und wuchtiger daher als das Cup-Auto. Der Einstieg fällt aber ähnlich leicht, die Sitzposition erinnert stark an das Serienauto. Rennsport-Lenkrad? Fehlanzeige. Denn auch der GT3 R ist nicht weit von der Serie entfernt und vermittelt sofort vertrauen, nicht zuletzt dank der zahlreichen Helferlein.

Die harte Rennkupplung ist zwar gewöhnungsbedürftig, trotzdem fällt das Anfahren relativ leicht. Er brüllt, schreit und macht richtig Laune. Vierter Gang, klack, fünfter Gang. Der Neunelfer liegt satt auf dem Asphalt und schluckt jede Bodenwelle ohne große Zicken. Dank des Heckmotors bietet das Auto eine gute Traktion, vor allem aus den langsamen Kurven heraus. Die Lenkung ist präzise und erfordert keine großen Lenkwinkel. Der größte Unterschied zum Cup-Porsche ist zweifelsohne die ausgefeilte Aerodynamik. Die markanten Radhausentlüftungen auf den vorderen Kotflügeln erhöhen den Abtrieb auf der Vorderachse, der fast zwei Meter breite Heckflügel sorgt für eine gute Balance. Man fühlt sich auf Anhieb wohl. So soll es auch sein. Denn der GT3 R wurde nicht nur für Profis, sondern auch für ambitionierte Amateure entwickelt.

Wechsel in den Porsche 911 RSR

Zurück an die Box, Wechsel in den Porsche 911 RSR. „Wenn Du das Auto nicht in einem Stück zurückbringst, bleibst Du auch nicht in einem Stück“, macht Porsche-Motorsportchef Frank-Steffen Walliser (48) noch einmal Angst. Und das nicht ohne Grund. Denn schon auf den ersten Blick wird klar: Mit einem Serienauto hat dieser Rennwagen rein gar nichts mehr gemeinsam. Der Sitz ist deutlich weiter hinten. Er ist fest mit dem Fahrzeug verbunden, stattdessen lassen sich Lenkrad und Pedalbox verschieben und an die Größe des Fahrers anpassen.

Das Lenkrad gleicht dem Steuer eines Formel-1-Boliden und ist mit zehn Druckknöpfen sowie fünf Drehschaltern belegt. Auf dem riesigen Display leuchten zahlreiche Informationen auf. In der Mittelkonsole befinden sich noch einmal knapp 30 Knöpfe. Eigentlich braucht es hierfür ein eigenes Studium. So viel Zeit haben wir nicht. Per Knopfdruck, noch immer links vom Lenkrad, wird der Boxermotor gestartet. Er kreischt, er brüllt – und ist kilometerweit zu hören. Für Außenstehende kaum auszuhalten, ist es im Innenraum nicht viel lauter als beim GT3 R. Erstaunlich: Im Gegensatz zur Konkurrenz, die auf Turbotechnik setzt, vertraut Porsche weiterhin auf einen Saugmotor, der komplett neuentwickelt wurde. Das spart bis zu 40 Kilogramm Gewicht. Außerdem strahlt der Sauger weniger Hitze ab, die andernfalls kompliziert abgeführt werden müsste.

Steuerzentrale.
Porsche 911 RSR.

Am Lenkrad befinden sich fünf Drehschalter sowie zehn Druckknöpfe. Dazu kommt eine gefüllte Mittelkonsole mit rund 30 Knöpfen.

Mit einem schallenden Klacken rastet der erste Gang ein, dann geht es los. Die Drei-Scheiben-Kohlefaser-Rennkupplung ist etwas weicher als bei den „kleinen Brüdern“, wird aber auch hier nur zum Anfahren benötigt. Anschließend lässt sich, wie bei allen anderen Porsche-Rennfahrzeugen, mit Schaltwippen und unter Volllast schalten. Der Clou: Mit beiden Wippen lässt sich durch Ziehen oder Drücken sowohl Hoch- als auch Runterschalten. „Das ist hilfreich, wenn wir mit der anderen Hand gerade Einstellungen verändern oder den Gurt nachziehen“, verrät Werksfahrer Kevin Estre (28). Um es den Piloten im Renngeschehen so einfach wie möglich zu machen, wurden sie bereits von Beginn an in die Entwicklung des RSR eingebunden.

Weitere Besonderheit: Völlig untypisch für Porsche, ist der Sechszylinder-Boxermotor nicht mehr im Heck platziert, sondern vor der Hinterachse. Das verbessert die Gewichtsverteilung und schont die Hinterreifen. Außerdem ist im Heck nun Platz für einen großen Diffusor, der den Abtrieb deutlich verbessert. Ein großer Heckflügel sorgt für den Anpressdruck auf der Hinterachse. Trotzdem neigt auch der 911 RSR am Kurvenausgang zum Übersteuern. Die Traktionskontrolle, die sich an zwei Drehschaltern in mehreren Stufen einstellen lässt, arbeitet auf Hochtouren.

Das Mittelmotor-Prinzip ist für den Laien hingegen kaum spürbar, auch wenn der RSR im Vergleich zum Heckmotor etwas an Traktion verloren hat. Er lenkt geschmeidig ein und hört direkt auf die Wünsche des Fahrers. Kein Zicken, kein Murren. Zahlreiche Fahrhilfen und hochmoderne Assistenzsysteme erleichtern das Leben der Rennprofis: Ein radargestütztes Kollisionswarnsystem zeigt dem Piloten mit Hilfe von farbigen Pfeilen an, ob sich im Rennen ein schnellerer Prototyp nähert. Eine LED-Leiste auf dem Armaturenbrett blinkt auf, wenn die Räder beim Bremsen blockieren und gibt mit verschiedenen Farben sogar an, ob die Hinter- (gelb) oder Vorderachse (lila) stehenbleibt. Praktisch für Langstrecken-Rennen: Der 911 RSR verfügt über eine Klimaanlage, mit Sitzkühlung und Helmbelüftung sowie eine beheizbare Frontscheibe. So viel Hightech hat aber seinen Preis. Inklusive Steuern kostet der Porsche 911 RSR knapp eine Million Euro.

Fazit

Wer hätte gedacht, dass die Fahrt im „kleinen“ Cup-Porsche die größte Herausforderung sein wird? Fehlende Fahrhilfen und die einfache Aerodynamik machen sich hier stark bemerkbar. Der 911 GT3 R, der sogar für ambitionierte Amateurpiloten gedacht ist, gibt hingegen das größte Vertrauen. Er lässt sich nahezu spielerisch um den Kurs bewegen. Der Sprung in den 911 RSR ist dann nicht mehr so groß, wie zuvor erwartet. Trotzdem sorgt das Auto für großen Respekt. Die Aerodynamik ist ausgefeilt, die Technik auf höchstem Niveau – und der Preis gewaltig.

Sönke Brederlow
Sönke Brederlow
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